
Sexualstrafrecht: Der BGH zum Thema „Stealthing“
Das sogenannte „Stealthing“ ist ein Thema, das in letzter Zeit verstärkt Aufmerksamkeit erregt hat. Darunter versteht man die heimliche Entfernung oder Nichtbenutzung eines Kondoms während des Geschlechtsverkehrs ohne das Wissen des Partners. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich kürzlich zu dieser Thematik geäußert und die strafrechtlichen Implikationen hierzu konkretisiert.
Das Landgericht Düsseldorf hatte einen Angeklagten wegen diverser Delikte, unter anderem wegen eines sexuellen Übergriffs, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Der Angeklagte legte gegen dieses Urteil Revision ein, unter anderem mit dem Vorwurf der Verletzung materiellen und formellen Rechts.
BGH: Keine pauschale Zustimmung zu sexuellen Handlungen
Der BGH hat die strafrechtliche Bewertung des „Stealthings“ im Detail erläutert. Im konkreten Fall hatte der Angeklagte vorgetäuscht, ein Kondom zu benutzen und hatte Geschlechtsverkehr ohne dessen Nutzung und ohne das Wissen seiner Partnerin durchgeführt. Dies wurde als sexueller Übergriff gemäß § 177 Abs. 1 StGB gewertet. Interessant dabei ist, dass der BGH hier klargestellt hat, dass die Zustimmung zu sexuellen Handlungen nicht pauschal gegeben ist. Wenn die betroffene Person Geschlechtsverkehr nur unter der Voraussetzung der Kondomnutzung zustimmt, so stellt ein Geschlechtsverkehr ohne Kondom eine ihr erkennbar entgegenstehende Handlung dar.
Weiterhin hat der BGH betont, dass der Gebrauch eines Kondoms nicht nur eine Frage der sexuellen Selbstbestimmung, sondern auch der Prävention von Krankheiten und ungewollten Schwangerschaften ist. Der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung bleibt jedoch das maßgebliche Rechtsgut.
Was bedeutet das für Betroffene?
Das Urteil des BGH setzt ein klares Zeichen und verdeutlicht die Strafbarkeit des „Stealthings“ in Deutschland. Personen, die ohne das Wissen und ohne die Zustimmung des Partners das Kondom entfernen oder es gar nicht erst nutzen, begehen einen sexuellen Übergriff und können dafür strafrechtlich verfolgt werden.
Trotzdem hat der BGH gleichzeitig auch die Grenzen aufgezeigt, wann tatsächlich keine Sexualstraftat mehr vorliegt. Gerade auf der Ebene der Beweiswürdigung kann in solchen Fällen ein erfolgreicher Angriff in der Revision erfolgen. Insbesondere bei schweren Vorwürfen aus dem Sexualstrafrecht sollte ein ergangenes Urteil von einem Revisionsexperten auf Fehler überprüft und gegebenenfalls angegriffen werden.
BGH Beschluss vom 13.12.2022 – 3 StR 372/22
„Dieses BGH-Urteil zeigt, dass bei der Zustimmung zu sexuellen Handlungen die Details entscheiden – eine pauschale Zustimmung gibt es nicht.“
RECHTSANWALT UND FACHANWALT FÜR STRAFRECHT DR. MATHIAS SCHULT