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Consultatio Strafrecht Hamburg

Mord: Borderline-Störung kann die Mordmerkmale entfallen lassen

Die neueste Entscheidung des BGH wirft erneut die Frage auf, inwieweit psychische Störungen die Schuldfähigkeit eines Angeklagten beeinflussen können und welche Anforderungen Gerichte erfüllen müssen, um einen Schuldspruch zu fällen.

Der Angeklagte wurde beschuldigt, eine 25-jährige Frau getötet zu haben, nachdem diese seine Annäherungsversuche zurückwies. Nach dem Mord fotografierte der Angeklagte den Intimbereich des Opfers, bevor er die Bilder wieder löschte. Das Landgericht, welches durch einen Sachverständigen beraten wurde, stellte beim Angeklagten eine Borderline-Persönlichkeitsstörung fest. Als Ergebnis wurde er wegen Mordes zu 13 Jahren Haft verurteilt und in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen.

BGH: Borderline-Störung verlangt bei Mord genaue Prüfung

Nach dem BGH kann dieser Schuldspruch keinen Bestand haben. Die Hauptkritik des BGH richtete sich gegen die Einschätzung der Schuldfähigkeit des Angeklagten durch das Landgericht. Dabei haben die Richter in Karlsruhe insbesondere drei wesentliche Punkte herausgestellt:

Diagnose der Borderline-Persönlichkeitsstörung: Bereits die Begründung, warum der Angeklagte die Diagnose der Borderline-Störung erhalten hat, war für den BGH nicht nachvollziehbar. Es fehlte eine klare Darlegung der Anknüpfungstatsachen und der zugrunde liegenden Beweisführung.

Schweregrad der Störung: Das LG stellte ferner fest, dass der Angeklagte aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung handelte, jedoch wurde nicht deutlich, ob er aus einem unwiderstehlichen Zwang heraus agierte. Hier fehlte es an einer fundierten Begründung, welche das Handeln des Angeklagten ausreichend erklärte.

Auswirkungen auf den Mordvorwurf: Da die Schuldfähigkeitsprüfung Mängel aufwies, konnte auch das Mordmerkmal „zur Befriedigung des Geschlechtstriebs“ nicht bestehen bleiben. Es muss geklärt werden, ob der Täter die Tötung tatsächlich zur geschlechtlichen Befriedigung anstrebte oder in Kauf nahm.

Gerade bei Mordverfahren ist die Frage der Schuld entscheidend

Diese Entscheidung verdeutlicht die Notwendigkeit, bei der Prüfung der Schuldfähigkeit eines Angeklagten sowohl besonders sorgfältig als auch detailliert vorzugehen. Gerade wenn das Gericht eine Einschränkung der Schuldfähigkeit angenommen hat, ist genau zu schauen, ob dies nicht auch Auswirkung auf den eigentlichen Schuldvorwurf hat.

Gerade bei den Mordmerkmalen kann häufig der Vorsatz gefehlt haben und somit bereits der Mord als solches entfallen. Denn wenn jemand aufgrund einer psychische Beeinträchtigung in der Schuldfähigkeit beeinträchtigt ist, dann ist er es auch häufig bei der Frage, ob er überhaupt das Mordmerkmal erkannt hat. Auch aus diesem Grund hat der BGH hier die Verurteilung wegen Mordes aufgehoben und das Landgericht wird in einem neuen Verfahren zu prüfen haben, ob nicht möglicherweise gar kein Mord, sondern nur ein Totschlag vorliegt.

In allen Fällen bietet es sich, gerade wenn es zu einer Verurteilung zu hohen Haftstrafen kam, an, das Urteil detailliert auf Fehler zu prüfen und gegebenenfalls die Revision durchzuführen.

BGH Beschluss vom 28.02.2023 – 4 StR 491/22

„Der BGH unterstreicht, dass ohne präzise Bewertung der psychischen Verfassung eines Angeklagten keine gerechte Verurteilung erfolgen kann.“

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