
Fehlende Öffentlichkeit führt zur Aufhebung des Urteils
Die strafrechtliche Revision kann in vielen Fällen die letzte Möglichkeit bieten, um Fehlurteile zu korrigieren und die Rechte der Verurteilten zu wahren. Besonders komplex können Revisionen sein, in denen Verfahrensfehler vorliegen. Diese aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zeigt, wie Verfahrensfehler zur Aufhebung von Verurteilungen führen kann.
Grundlage der Verurteilung vom Vorgericht war, dass ein Jugendfußballtrainer wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen verurteilt wurde. Der Angeklagte nutzte seine Funktion als Trainer, um Kontakt zu männlichen Jugendlichen zwischen 13 und 16 Jahren aufzubauen, sie zu sich nach Hause einzuladen und ihnen Alkohol und Cannabis anzubieten. Unter verschiedenen Aliasnamen und falschen Identitäten in sozialen Netzwerken soll er Druck auf die Jugendlichen aufgebaut haben, um sie zu sexuellen Handlungen zu zwingen. Später änderte er seine Vorgehensweise und soll den Jugendlichen heimlich Schlaf- und Beruhigungsmittel verabreicht haben, um sie zu vergewaltigen und diese Taten zu filmen. Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte ihn daraufhin zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und neun Monaten und ordnete die Sicherungsverwahrung sowie die Einziehung zweier Mobiltelefone an.
Die Öffentlichkeit war zu lange ausgeschlossen
Auf die Revision des Angeklagten hin hat der BGH das Urteil des Landgerichts teilweise aufgehoben. Konkret betrifft die Aufhebung die Fälle 63 bis 69 der Urteilsgründe, den Ausspruch der Gesamtstrafe, die Anordnung der Sicherungsverwahrung und die Einziehung der Mobiltelefone. Der BGH verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.
Das Landgericht beschloss gemäß § 171b Abs. 1 und 2 GVG, die Öffentlichkeit während der Vernehmung eines Geschädigten auszuschließen. Nach der Vernehmung wurde der Geschädigte in nichtöffentlicher Sitzung entlassen. Anschließend hörte das Gericht den sachverständigen Arzt für Rechtsmedizin, Prof. Dr. T., der bereits zuvor in öffentlicher Hauptverhandlung gehört worden war, erneut an, ohne zuvor die Öffentlichkeit wiederherzustellen. Während dieser nichtöffentlichen Sitzung nahm das Gericht auch ein Video des Geschädigten im Fall 63 in Augenschein und erörterte es mit dem Sachverständigen. Erst danach wurde die Hauptverhandlung unterbrochen, ohne dass die Öffentlichkeit bis dahin wiederhergestellt worden war. Eine spätere Wiederholung der Anhörung des Sachverständigen unter öffentlicher Beteiligung fand nicht statt.
Öffentlichkeit ist ein wichtiges Prozessprinzip
Nach § 338 Nr. 6 StPO stellt die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes einen absoluten Revisionsgrund dar. Dieser Grundsatz ist ein fundamentaler Bestandteil des Strafprozesses, um die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Gerichtsverfahren zu gewährleisten. Die Öffentlichkeit der Verhandlung soll das Vertrauen in die Rechtsprechung stärken und sicherstellen, dass das Verfahren fair und unparteiisch durchgeführt wird.
Der BGH stellte fest, dass das Landgericht die ihm bekannte Beschränkung der Öffentlichkeit während der Vernehmung des Geschädigten und des Sachverständigen nicht rechtzeitig aufgehoben hatte. Dies bedeutete, dass ein wesentlicher Teil der Beweisaufnahme unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, was einen erheblichen Verfahrensmangel darstellt.
Aus diesem Grund hob der BGH die Verurteilung in den Fällen auf, in denen die Öffentlichkeit nicht durchgehend sichergestellt war. Dies eröffnet dem Verurteilten nun auch die Chance die Gesamtstrafe und vor allem die Anordnung der Sicherungsverwahrung erneut vor dem Landgericht anzugreifen.
„Diese Entscheidung des BGH zeigt, dass die Einhaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes ein unverzichtbares Element unserer Rechtsprechung ist. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz führt daher zur Aufhebung des Urteils.“
RECHTSANWALT UND FACHANWALT FÜR STRAFRECHT DR. MATHIAS SCHULT